Eine Kuh muht. Im Hintergrund grünes Gras und Berge.

Ich kann nicht singen. 4 einfache Gründe, warum das nicht stimmt.

(aktualisiert am 14.12.21)

Ich kann nicht singen – das hast Du vielleicht schon oft zu Dir und anderen gesagt. Stimmen tut das in den seltensten Fällen. Wenn Du keine Stimmband-Lähmung hast und Deine Ohren funktionieren, kannst Du auch singen.

Woran liegt es also, dass Du glaubst, dass Du nicht singen kannst? Vielleicht wurdest Du als Kind für Dein Singen bewertet oder gar benotet? Oder Du vergleichst Deine Singstimme mit Profi-Stimmen und bekannten Sängern aus den Medien?

Singen ist ein sehr wirksames Heilmittel – für  Deinen Atem und auch für Dein Herz. So viele Menschen sind verstummt und singen keinen einzigen Ton mehr. Sie finden ihren eigenen Gesang schrecklich, weil sie in ihrer Kindheit oder Jugend als unmusikalisch bezeichnet wurden. Sie werden von ihren Familienmitgliedern kritisiert, wenn sie einfach mal ein Liedchen singen.

Triffst Du die Töne nicht immer? Egal! Können musst Du erst mal nichts, wenn Du singst. Perfektionismus und Leistungsstress bringen Dich nicht weiter. Es ist schon alles in Dir, was Du zum Singen brauchst.

„Ich kann nicht singen“ ist ein Glaubenssatz.

Wenn Du eigentlich gern singst, obwohl Du es nicht „kannst“, liegt das vielleicht daran, dass Singen eine urmenschliche Fähigkeit ist. Singen konnte der Mensch schon, bevor er sprechen konnte. So die Meinung vieler Forscher.

Für das tägliche Sprechen reichen übrigens mickrige vier Töne aus. Beim Sprechen brauchen wir auch nicht die Fähigkeit, die Töne lange zu halten. Trotzdem können wir Singen. Du hast aufgrund von schlechten Erfahrungen und Reaktionen Deiner Mitmenschen vielleicht den Glauben entwickelt, dass Deine Stimme nicht schön ist. Vielleicht ist es gut, erst einmal alle Beurteilungen zu ignorieren. Besonders die eigene.

Die Evolution hätte uns das Singen schon abgewöhnt, wenn es für uns Menschen überflüssig wäre. Also muss die Fähigkeit zu singen uns einen Vorteil bieten. Der Steinzeit-Mensch hatte keinen Gesangsunterricht. Der evolutionäre Vorteil des Singens war schon damals coole Lässigkeit, gepaart mit Vitalität, die auch heute noch Fans bei Konzerten zum Kreischen bringt. Frei nach dem Motto: „Seht her! Ich bin so stark und gesund, dass mir selbst diese widrigen Bedingungen nichts ausmachen und ich noch Kraft genug habe, um so sinnlose Dinge zu tun wie zu singen.“ Dabei ging es sicherlich nicht um die Schönheit des Klangs. Allein das Tun war entscheidend.

Viele Arme die sich hochstrecken. Hände formen Herzsymbole. Im Hintergrund eine Bühne mit Sänger und Band.
Singen ist auch Sinnlichkeit.

Schon immer haben Eltern ihre Babys mit Gesang beruhigt und in den Schlaf gesungen. Ein wichtiger Vorteil des Singens ist auch die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls. Durch rituelle Gesänge fühlt man sich seiner Gruppe zugehörig. Generell stimulieren Musik und Gesang das Belohnungszentrum in unserem Gehirn. Dadurch werden Glücksgefühle ausgelöst, ähnlich wie bei gutem Essen oder Sex.

Ein wunderbarer Effekt des Singens: Dein Atem vertieft sich und Du baust Stress ab. So wirkt das Singen wie eine Meditation auf Körper und Seele.

Du bist einfach nicht in Übung.

Wenn Du Deine Stimme erklingen lässt, sind grob geschätzt 100 Muskeln im Einsatz, vom Zwerchfell bis zum Kehlkopf. Diese Muskeln brauchen Training, sonst verkümmern sie. Talent wird überschätzt. Jeder kann besser singen lernen – einfach durchs Singen.

Ein Mädchen hält ein Mikrofon in den Händen. Sie blickt fragend nach oben und singt.
Singen braucht kein Mikrofon. Leistungsdruck kann Dir die Singfreude verderben.

Ich nehme keinen Gesangsunterricht, weil meine Stimme mir auch so Freude bereitet. Natürlich könnte ich lernen, kunstvoller und „schöner“ zu singen. Aber ehrlich gesagt bin ich aktuell zu faul zum systematischen Üben. Meine Lieblingslieder sind Mantras und Chants, die nicht viele Töne haben. Einfach zu singen ohne künstlerischen Ausdruck tut mir gut. Ich fühle mich danach ruhig und entstresst. Durch regelmäßiges Singen Zuhause unter der Dusche, beim Putzen oder Kochen wird die Stimme nach und nach geschmeidiger. Vor allem, wenn Du es entspannt angehst und ohne den Anspruch auf Perfektion.

Du hast Angst vorm Singen.

Oft ist es Angst, die uns vom Singen abhält. Wer für seine Stimme kritisiert wurde, tut alles, um diese negative Erfahrung nicht wieder zu erleben.

Angst verspannt uns und schnürt unsere Kehle zu. Klar kostet es Überwindung: Singen trotz Angst vor Peinlichkeit. Aber der Sprung aus Deiner Komfortzone hilft Dir dabei, auch andere Versagensängste loszuwerden. Du wirst selbstbewusster. Und plötzlich wird jede Menge zusätzlicher Lebensenergie frei.

Du bist an den Klang Deiner Stimme nicht gewöhnt.

Nur etwa vier Prozent der Menschen sind von Geburt an komplett unmusikalisch. Menschen mit Amusie können Töne entweder nicht richtig einordnen oder Melodien nicht erfassen. Auch nach einem Schlaganfall leiden manche unter dem Verlust ihrer Musikalität.

Wenn Du Deine Stimme  auf einer Aufnahme hörst, bist Du wahrscheinlich erst einmal nicht begeistert. Wir sind es nicht gewohnt, unsere eigene Stimme von außen zu hören. Normalerweise wird Dein Stimmklang direkt von innen durch Deine Knochen ins Ohr geleitet. Wenn Du eine Aufnahme hörst, hörst Du den reinen Luftschall. Eben so, wie andere Dich hören. Dazu kommt, dass das Telefon und viele Aufnahmegeräte hohe und tiefe Frequenzen abschneiden.

Eine Zielscheibe mit rotem Mittelpunkt. Nur ein Pfeil steckt in der Mitte. Weitere Pfeile haben das Ziel verfehlt.
Mach‘ Dir nichts draus, wenn Du nicht immer ins Schwarze triffst.

Deine grundlegende Stimmfarbe ist übrigens von Natur aus annähernd festgelegt, so wie Deine Haar- und Augenfarbe. Ob Du eine helle oder dunkle Stimmfärbung hast, hängt unter anderem von der Größe Deiner Mund- und Nasenhöhle und Deiner Zunge ab. Länge und Dicke Deiner Stimmlippen spielen auch eine Rolle. Den Grundklang kannst Du nicht komplett ändern, aber Du kannst Deine Stimme entwickeln. Sie klarer, geschmeidiger und resonanzreicher machen. Du kannst entdecken, wie schön sie ist, wenn sie frei sein darf.

Der allererste Schritt für den Spaß am Singen ist es, Deine Stimme genau so zu akzeptieren, wie sie ist.

Zwei Gründe, warum Du die Töne nicht triffst

Es kann sein, dass Du die Töne einer Melodie nicht triffst, weil Du einfach zu wenig singst. Wenn sich das auch bei regelmäßigem Singen nicht ändert und Dich nervt, liegt es vielleicht an diesen beiden Faktoren:

  1. Du singst auf eine Art und Weise, die Deine Stimmbänder nicht frei schwingen lässt. Da kommt wieder die Angst ins Spiel, die für Anspannung sorgt. Dein Atem fließt nicht und Dein Körper kann sich nicht optimal auf den Ton einstellen.
  2. Dein Gehör ist nicht genügend trainiert. Das hat viel mit Lauschen und Nachsingen zu tun. Es gibt Apps, die Dir helfen, durch Nachsingen Töne besser zu treffen. Auf YouTube gibt es unendlich viele Tipps für Stimmübungen mit ganz verschiedenen Ansätzen. Sei aber lieber vorsichtig damit, denn diese Tutorials sind nicht auf Deine individuelle Stimmlage zugeschnitten.

Mein Tipp: Locker machen und einfach loslegen

  1. Lockere Deinen Körper vor dem Singen. Räkle Dich wohlig. Dehne und stretche Deine Glieder. Kreise Deine Schultern und Deinen Kopf. Atme tief durch. Gähne und lass‘ alle möglichen spontanen Geräusche entstehen.
  2. Wärme Deine Stimme auf durch lockeres Summen bevor Du singst.
  3. Singe einfach ein Liedchen oder drei, und lass‘ Dich von nichts und niemandem davon abhalten.
  4. Versuche erst einmal, nichts zu verbessern. Habe Geduld mit Dir. Den Rost an der Stimme kann man absingen.
  5. Nimm ein paar Gesangsstunden, wenn Du merkst, dass Du schnell heiser wirst, wenn Du singst. Eine Gesangslehrerin ist auch die beste Wahl, wenn Du schwierige Songs singen möchtest und Deine Stimme ausbauen willst. Auch hier gilt: keine Scheu. Die Musikschulen in Deiner Nähe sind auch für erwachsene Sing-Anfänger offen. Auch Online kannst Du qualifizierte LehrerInnen finden.

Fazit: Gute Stimmung ohne Leistungsdruck

Deine Stimme ist ein Stimmungs-Barometer. Man kann meist genau hören, wie es Dir geht. Das Tolle ist, dass Du Deine Stimmung durch entspanntes Singen auch verbessern kannst. Das klappt, wenn Du Deinen Perfektionismus überwindest. Lass‘ doch andere Kunst mit ihrer Stimme machen. Du singst, weil es Dir guttut. Ein kleines Lied zum Stressabbau, lange Töne für einen tiefen Atem. Wenn Du eine Morgengymnastik machst, dann auch nicht, um bei Olympia eine Goldmedaille zu gewinnen, oder?

FAQ – Fragen, die mir öfter gestellt werden:

Bin ich zu alt, um singen zu lernen?

Niemand ist je zu alt, um seine Stimme zu trainieren. Du kannst sehr gut auch noch als Erwachsener anfangen, Gesangsunterricht zu nehmen. Die Musikschulen in deiner Gegend sind auch auf ältere Schüler eingerichtet. Schau auf jeden Fall, dass du nur eine/n Gesangslehrer/in akzeptierst, bei dem/der du dich wirklich wohlfühlst. Sieh es erst einmal als Zeit für dich, die dir guttut. Je mehr du singst, desto leichter fällt es dir und desto entspannter wirst du dabei. Singen ist auch gut für deine Sprechstimme, deinen Atem und deine Gesundheit allgemein.
Singe häufiger Zuhause, in der Dusche, im Auto, an einem ungestörten Ort. Für einen unkomplizierten Einstieg eignet sich auch ein Singkreis in deiner Nähe (oder einen Chor, wenn du es anspruchsvoller magst und eventuell Noten lesen kannst).
Solange dein Gehör in Ordnung ist, und deine Stimme nicht durch starkes, Rauchen, bestimmte Medikamente oder andere Noxen angegriffen ist, kannst du deine Singstimme auf jeden Fall in jedem Alter durch Übung verbessern und viel Freude beim Singen haben.

Wie kann ich meine Stimme trainieren?

Benutze Deine Stimme bewusst. Probiere verschiedene Laute aus. Gähne, seufze, grunze, gib alle möglichen Laute von dir. Versuche, häufig zu summen, mit ganz lockeren Lippen. Singe Lieder aus deiner Kindheit. Singe deine Lieblingssongs mit. Habe Freude und Spaß beim Töne produzieren. Schaue dir ruhig ein paar Gesangsübungen auf Youtube an oder kaufe einen guten Anfänger-Online-Kurs. Allerdings solltest du nicht ganz alleine vor dich hin üben, wenn du deine Stimme verbessern möchtest.

Die Stimme ist ein Musikinstrument, dessen sich alle Menschen ohne die Hilfe von Lehrern, Prinzipien oder Regeln bedienen können.
Dennis Diderot (1713 – 1789)
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Elena Deppe

4 Kommentare zu „Ich kann nicht singen. 4 einfache Gründe, warum das nicht stimmt.“

  1. Hallo liebe Elena, mein Mann, 85, und ich 79 singen seit 50 Jahren in 2 Chören. Doch seit der Pandemiepause bemerke ich, dass mein Mann die Töne nicht mehr genau abnehmen kann und auch während des Singens manchen Ton nicht mehr richtig trifft. Er hat allerdings seit 1 Jahr ein neues Hörgerät und ich meine, es läge daran. Könnte evtl. auch ein leichter Schlaganfall der Grund hierfür sein? Mein Mann hat/ hatte eine gute und sichere Bassstimme, wir beide singen sehr gerne und es täte mir sehr leid für ihn und auch mich, wenn er/wir nicht mehr singen gehen würden. Kannst Du uns einen Rat geben?

    1. Lieben Dank für Deinen Kommentar. Natürlich kann ich von Ferne keinen passgenauen Rat geben. Die Fähigkeit, genau zu hören – besonders die hohen Töne, nimmt ja grundsätzlich leider schon früh ab. Dass ein leichter, ansonsten unauffälliger Schlaganfall jetzt speziell die Fähigkeit reduziert, einen Ton sauber zu treffen, ist mir nicht bekannt. Ich tippe von Ferne auch auf die neuen Hörgeräte. Neue Geräte haben eine Rückkopplungsautomatik, um Pfeiftöne zu verhindern. Wenn der Rückkopplungsmanager der Hörgeräte nicht richtig eingestellt ist, werden alle hohen Töne der Musik herausgefiltert, was das saubere Abnehmen unmöglich macht. Es gibt Musikprogramme für Hörgeräte; bzw. kann der Hörgeräte-Akustiker die Hörumgebung individuell auf Musik einstellen – oder ein festes Musikprogramm zum selber anwählen integrieren. Dein Mann sollte sich da mal von einem fähigen Akustiker beraten lassen. Ansonsten ist es immer zusätzlich wichtig, Muskeltraining (Atemmuskulatur, Bauchmuskulatur) zu machen, um die Töne gut und elastisch abstützen zu können. Ach, da fällt mir noch viel zu ein – das sprengt hier den Rahmen. Melde Dich gern noch mal, wenn Ihr keine Lösung finden solltet. Herzliche Grüße, Elena

  2. Liebe Elena,

    jetzt habe ich gerade jede Menge gelernt, obwohl ich seit meiner Kindheit viel singe und auch lange in verschiedenen Chören gesungen habe.
    Ich denke, deine Ermutigungen, ohne Perfektionsanspruch einfach mit Freude und Gelassenheit loszusingen, motiviert auch viele Menschen, die null Bezug zu ihrer Singstimme haben.
    Ich bin schon sehr gespannt auf deine nächsten Blogartikel und auf deine coolen Blogbilder.

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